Verantwortung für Deutschland?! Familienpolitische Einblicke in den neuen Koalitionsvertrag
Der neue Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD trägt den Titel “Verantwortung für Deutschland”, den ich nach dem Lesen nur mit einem großen Fragezeichen versehen kann. Aus meiner Sicht hält er für all die Sorgenden da draußen allzu wenig Veränderung zum Guten bereit. Zu Beginn der Ampelkoalition gab es zumindest noch ein bisschen Hoffnung - die bleibt diesmal aus. Ich habe eine kleine Auswahl der familienpolitischen Vorhaben zusammengestellt und für euch kommentiert.
“Leistungsträger und ihre Familien stehen im Mittelpunkt.”*
*Damit ist die Richtung klar. Erstens: Familie und ‘Leistung’ werden gegenübergestellt: man ‘leistet’, wenn man erwerbstätig ist; nicht, wenn man sorgt. Erinnert doch allzusehr an den Ernährer mit seiner Hausfrau, oder? Zweitens: die Koaltion folgt einem selektiven Menschenbild. Es gilt nur als förderwürdig, wer ‘leistet’. ‘Leisten’ kann in diesem Sinne nur, wer einen entsprechend funktionalen Körper, (Arbeits-)Rechte und keine im Wege stehenden Sorgeverpflichtungen hat.
“Wir setzen den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten befristet für zwei Jahre aus.”*
*Als subsidiär Schutzberechtigte gelten Menschen, denen in ihrem Herkunftsland “ernsthafter Schaden” (BAMF) droht, die aber kein Asyl erhalten haben. Das Recht auf Familie (EU Menschenrechtskonvention) wird also im Koalitionsvertrag sehr selektiv verstanden, wenn bestimmte Geflüchtete davon ausgenommen werden, für eine doch sehr zufällig daherkommende Zeitspanne. Just why?
“Wir entwickeln das Elterngeld weiter, indem wir mehr Anreize für mehr Partnerschaftlichkeit, insbesondere mehr Väterbeteiligung in alleiniger Verantwortung setzen. Das erreichen wir bspw. durch erhöhte Lohnersatzraten und veränderte Anzahl und Aufteilung der Bezugsmonate des Elterngeldes. Insbesondere mit Blick auf die Zeit nach der Geburt wollen wir Familien unterstützen und tragen langfristig zu einer gerechteren Verteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit bei. ”*
*Okay. Wir sind gespannt.
“Wir werden in einem ersten Schritt säumige Unterhaltsschuldner durch härtere Strafen sanktionieren,
zum Beispiel durch Führerscheinentzug.”*
*Das wird lustig.
“...”
[Keine Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs]*
Glänzt durch Nicht-Benennung. Aber, immerhin: mehr Kostenübernahme durch Krankenkassen und medizinische Weiterbildung sollen gestärkt werden. At least.
“...”
[Keine Mitmutterschaft, keine Ausweitung von Sorgerecht, nix]*
Glänzt ebenfalls durch Nicht-Benennung. Irritierend, dass die drei Zeilen zum Familienrecht überhaupt die Überschrift “Familienrechtsreform” tragen. Reform? Wo?
Dies nur als kleine Teaser, in welche Richtung wir uns familienpolitisch in der kommenden Legislatur bewegen. Es entsteht doch der Eindruck, dass Familie und Sorge umeinander weit in den Hintergrund der politischen Agenda gerückt ist.
Weitere Kommentare zum Koalitionsvertrag, die ich lesenswert finde gibt es zum Beispiel vom LSVD+.